Ein klimapolitischer Rahmen zur Finanzierung von klimabedingten Verlusten und Schäden

Ein klimapolitischer Rahmen zur Finanzierung von klimabedingten Verlusten und Schäden

Do, 11.11.2021 — IIASA

IIASA Logo Icon Klima

Während die Auswirkungen des Klimawandels gravierender werden und Adaptierungen bald an ihre Grenzen stoßen, werden vulnerable Gemeinschaften verschiedene Arten der Finanzierung benötigen, um Resilienz (Widerstandsfähigkeit) aufzubauen und Umgestaltungen für ihren Selbstschutz vorzunehmen. IIASA-Forscher haben nun ein neues Dossier erarbeitet, das einen Finanzierungsrahmen für solche Klimarisiken vorlegt und relevante Modelleinblicke zur Information internationaler Debatten über Adaptierung und "Loss and Damage" - Verluste und Schäden - bietet.*

Wenn der Meeresspiegel steigt, Überschwemmungen zunehmen, Hitze existenzbedrohend wird und Riffe auf Grund von Hitze und Übersäuerung zusammenbrechen, werden Gemeinschaften gezwungen sein, eine Änderung in ihrem Umgang mit klimabedingten Risiken vorzunehmen – für manche wird dies bis hin zur Aufgabe ihrer Wohnstätten gehen. Die Auswirkungen werden in erster Linie auf weniger wohlhabende und zudem vulnerable Nationen treffen, die auf sich allein gestellt nicht in der Lage sind, effizient zu reagieren. Wo immer aber eine Katastrophe eintritt, werden die Auswirkungen zunehmend erheblicher – insbesondere dort, wo die Grenzen der Adaptierung bereits nahe gerückt sind (Abbildung 1).

Abbildung 1. Existenzielle klimabedingte Risiken und Grenzen der Anpassung. (Starre Grenzen sind unveränderliche Grenzen,die Kipppunkte von Erdsystemen sind, weiche Grenzen sind zwar technisch beherrschbar,können aber von gesellschaftlicher und politischer Seite behindert werden. Anm. Redn.) (basierend auf Mechler und Deubelli, 2021 und Deubelli und Venkateswaran, 2021)

„Vermeidung, Minimierung und Umgang“ von/mit klimabedingten Verlusten und Schäden

Das bedeutet, dass wir überdenken müssen, wie wir mit klimabedingten Risiken umgehen. Die Industrienationen – die seit Jahrzehnten die Haupttreiber des Klimawandels sind – haben eine moralische Verpflichtung die notwendigen Veränderungen in Richtung Resilienz zu unterstützen und im Katastrophenfall zu helfen. Es wurden zwar Schritte unternommen, um den diesbezüglichen Dialog zu fördern, doch sind weitere Maßnahmen erforderlich, insbesondere in Hinblick darauf, wie solche Maßnahmen finanziert werden können. Darüber hinaus verweist die nicht eindeutige Diktion des aktuellen Diskurses auf „Vermeidung, Minimierung und Umgang“ von/mit Verlusten und Schäden; Vermeidung und Minimierung werden aber auch durch Milderung des Klimawandels, Adaptierung und Risikomanagement abgedeckt; übrig bleibt der Umgang mit Verlusten und Schäden, die nicht verhindert werden können.

Abbildung 2. Risiko-Layering-Architektur für das Management von Klimarisiken (RKR: Reduzierung des Katastrophenrisikos; AKW: Anpassung an den Klimawandel)

IIASA-Forscher haben Ideen aus verschiedenen Disziplinen zusammengetragen, um einen umfassenden Rahmen für die Finanzierung von Verlusten und Schäden vorzuschlagen, der alle drei Säulen des "Verlust und Schaden" Diskurses umfasst, wie er jetzt in Publikationen und einem neuen Grundsatzpapier für den Glasgower Klimagipfel ( COP26) dargelegt wird.

Die Forscher haben die Risikoanalyse angewandt, um zwischen vermiedenen, nicht vermiedenen und unvermeidbaren Risiken zu unterscheiden, die als Teil eines Portfolioansatzes zu handhaben sind. Mit den verschiedenen Risikoebenen in Verbindung gebracht führte dies zu einer Hierarchie der Risikoebenen. Abbildung 2.

Finanzierung des Risikomanagements .............

bedeutet in diesem Zusammenhang eine direkte Finanzierung, um für Anpassung, Risikomanagement und Aufbau von Resilienz zu zahlen – es ist dies eine Umwandlung von nicht vermiedenen Risiken in vermiedene Risiken. Dafür ist mehr Risikoprävention nötig und Vorbereitetsein erforderlich. Staatshaushalte und Entwicklungsförderung könnten durch innovativere Finanzierungsmechanismen, wie beispielsweise durch Klimaresilienz-Anleihen, aufgestockt werden. Wo eine zunehmende Adaptierung nicht mehr ausreichend ist, sind zusätzliche Mittel und Engagement für eine radikalere, transformative Anpassung von entscheidender Bedeutung. Dies kann bedeuten, dass man den Menschen hilft, eine neue Existenzgrundlage zu finden, beispielsweise - dort wo die Landwirtschaft nicht mehr realisierbar ist -durch den Wechsel von der Landwirtschaft in die Dienstleistungsbranche; oder aber auch, dass ein gesteuerter Rückzug aus den Bereichen mit dem höchsten Risiko unterstützt wird. Es sind dies transformatorische Initiativen, die im Rahmen des "Loss and Damage"-Dialogs derzeit noch keine ausreichende Unterstützung finden.

..........Risikofinanzierung......

bedeutet im weitesten Sinne private und öffentliche Versicherungen, beispielsweise durch regionale Risikobündelung, um einen schnellen Wiederaufbau und Wiederaufschwung zu finanzieren, wenn ein Sturm Hochwasserschutzanlagen fortgerissen hat. Traditionell steht die Risikofinanzierung im Mittelpunkt der Debatte um die Finanzierung von Verlusten und Schäden – sie ist jedoch nur ein Trostpflaster, wenn die Abwendung und Minimierung von Schäden aussichtslos gewesen ist.

.....kurative Finanzierung

Schlussendlich stellt kurative Finanzierung einen letzten Ausweg für übrige Risiken dar, um die Kosten eines erzwungenen Rückzugs und des Verlusts der Lebensgrundlage zu decken. Wo sich Risiken an den starren Grenzen der Anpassung manifestieren, kann auch die Finanzierung der transformativen Anpassung einen Ort nicht wieder bewohnbar machen; daher werden neue Finanzierungsquellen und -mechanismen benötigt, wie beispielsweise nationale und internationale Verteilung- der- Verluste- und Entschädigungssysteme.

Nach Meinung der Forscher sollten solche Systeme idealerweise global angelegt sein; in Ermangelung globaler Mechanismen, um ausreichende Mittel bereitzustellen und die ethischen Verpflichtungen reicherer Nationen zu erfüllen, bietet aber die offizielle Entwicklungshilfe für nationale Verlustverteilungs- und Entschädigungssysteme einen nützlichen Ausweg.

„Wie der Weltklimarat (IPCC) gezeigt hat, stoßen einige Systeme und Länder bereits an die Grenzen der Anpassung oder sind nahe daran“, sagt Reinhard Mechler, Leiter der Forschungsgruppe für Systemisches Risiko und Resilienz. „Beispielsweise besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass um das Jahr 2050 tropische Korallenriffe verschwunden sind und Gemeinden, die einst auf diese vertraut haben - für Küstenschutz, Ökosystemdienstleistungen und Tourismus - nun" gestrandet" sind– selbst wenn die Erwärmung auf 1,5 ° C begrenzt bleibt.“

Abbildung 3. Strategischer Rahmen für limitanfällige Systeme

Modellierung

IIASA hat auf der Grundlage seines CatSim-Modells (Catastrophic Simulation-odell) Tools entwickelt, um die verschiedenen Risikoebenen zu modellieren. Insbesondere die Frage, wer kurative Finanzierungen für die Hochrisiko-Abwanderungsebene „jenseits der Anpassung“ bereitstellt, ist umstritten – aber sie ist dringend geworden und eine Angelegenheit von gemeinschaftlichem globalem Interesse. Abbildung 4 zeigt die weltweite Finanzierungslücke für mehrere Risiken, um Länder und Regionen zu identifizieren, die internationale Unterstützung benötigen.

Abbildung 4. Abschätzung der Ebene Abwanderungsrisiko mit CatSim; Hochrainer-Stigler, 2021

Der Ansatz der Risikoebenen bietet einen wissenschaftlich fundierten und umsetzbaren Rahmen für einen globalen Ansatz zur Aufnahme zunehmend existenzieller Risiken und zur Schaffung von Eigenverantwortung für Risikoschichten „jenseits der Anpassung". Weitere Studien sind erforderlich, um Grenzen der Anpassung, Kapazitäten und Risiken im großen Maßstab zu verstehen und Chancen im Bereich der internationalen Klimapolitik auf der COP26 und darüber hinaus zu erkennen. Die Kurzfassung zum neuen Rahmenwerk kann hier abgerufen werden: https://iiasa.ac.at/web/home/resources/publications/IIASAPolicyBriefs/PB32.pdf-


 * Der von der Redaktion möglichst wortgetreu aus dem Englischen übersetzte Artikel ist am 10.November 2021 auf der IIASA Webseite unter dem Titel: " A climate policy framework to deal with existential climate risk" https://iiasa.ac.at/web/home/about/211110-loss-and-damage-finance-policy-brief.html
erschienen. IIASA hat freundlicherweise der Veröffentlichung von Inhalten seiner Website und Presseaussendungen in unserem Blog zugestimmt. Der Text wurde von der Redaktion durch Untertitel ergänzt.

 


Relevante Publikationen

Deubelli, T.M. & Mechler, R. (2021). Perspectives on transformational change in climate risk management and adaptation. Environmental Research Letters 16, e053002 [[pure.iiasa.ac.at/17003

Deubelli, T.M. & Venkateswaran, K. (2021). Transforming resilience-building today for sustainable futures tomorrow. IIASA Working Paper. Laxenburg, Austria: WP-21-005 [pure.iiasa.ac.at/17398]]

Hochrainer-Stigler, S. (2021). Changes in fiscal risk against natural disasters due to Covid-19. Progress in Disaster Science, e100176 [pure.iiasa.ac.at/17198]

Mechler, R. & Deubelli, T.M. (2021). Finance for Loss and Damage: a comprehensive risk analytical approach. Current Opinion in Environmental Sustainability 50, 185-196 [pure.iiasa.ac.at/17239]


 

inge Fri, 12.11.2021 - 00:47