Neue Einblicke in eine seltene Erkrankung der Haut

Neue Einblicke in eine seltene Erkrankung der Haut

Do, 15.06.2017 - 17:47 — Francis S. Collins

Francis S. CollinsIcon MedizinIchthyosen sind (zumeist) genetisch bedingte Störungen der Verhornung (Barrierebildung) unserer Haut, charakterisiert durch abnorm trockene, größere Schuppen bildende, verdickte Hautareale, welche die normalen Hautfunktionen stören. Bis jetzt haben Forscher mehr als 50 Mutationen von Genen identifiziert, die für unterschiedliche Typen und Subtypen dieser Krankheit verantwortlich sind. Ein NIH-gefördertes Forscherteam hat nun eine weitere genetische Ursache identifiziert, die wesentliche Auswirkungen auf die Therapie hat. Francis Collins, Direktor der US National Institutes of Health (NIH) und ehem. Leiter des "Human Genome Project" berichtet darüber.*

Die Haut ist das größte Organ des menschlichen Körpers und wir betrachten es meistens als selbstverständlich, was die Haut alles an großartigen Funktionen ausübt, um uns gesund zu erhalten. Nicht selbstversändlich ist dies aber für Menschen, die an sogenannten Ichthyosen leiden, d.i. die Sammelbezeichnung für einer Gruppe seltener schuppenbildender Hauterkrankungen (der Name leitet sich vom griechischen Wort für Fisch "ichthys" her). Jedes Jahr werden weltweit mehr als 16 000 Babys mit Ichthyosen geboren [1]. Bis jetzt haben Forscher mehr als 50 Mutationen von Genen identifiziert, die für unterschiedliche Typen und Subtypen dieser Krankheit verantwortlich sind. Ein NIH-gefördertes Forscherteam hat nun eine weitere genetische Ursache identifiziert und diese hat wichtige Auswirkungen auf die Therapie. Es handelt sich dabei um "Schreibfehler" in einem Gen, welches für ein Enzym kodiert, das in der Synthese von Ceramiden eine entscheidende Rolle spielt. Ceramide sind Lipidmoleküle, welche mithelfen die Haut feucht zu halten. Ohne normales Ceramid entwickelt die Haut schuppenähnliche Plaques, welche die Betroffenen anfällig für Infektionen und andere Hautprobleme werden lässt.

Der neue Typ von Ichthyose spricht auf Therapie mit Isotretinoin an

Zwei Patienten mit diesem neu identifizierten Typ der Ichthyose wurden mit Isotretinoin (Accutan) behandelt, einem Medikament, das üblicherweise gegen schwere Akne verschrieben wird (Isotretinoin ist der pharmakologisch aktive Vitamin A-Metabolit 13-cis Retinsäure, der in sehr niedriger Konzentration auch im Organismus vorkommt; Anm. Red.). Es zeigte sich, dass die Symptome praktisch vollständig verschwanden. Abbildung 1. Die Schlußfolgerung aus diesen Ergebnissen: Isotretinoin regt nicht nur den raschen Turnover der Hautzellen an sondern stimuliert die Haut auch zu einer verstärkten Produktion von Ceramid - allerdings geschieht dies über einen anderen biologischen Syntheseweg. Abbildung 1.Die Behandlung eines an progressiver symmetrischer Erythrokeratodermie (PSEK) leidenden Patienten mit Isotretinoin führt zur Normalisierung der Stirnhaut. (Mit freundlicher Genehmigung von of Keith Choate, Yale University School of Medicine, New Haven, CT)

Genetische Ursachen

Keith Choate (Yale University School of Medicine, New Haven, CT) hat seine wissenschaftliche Laufbahn der Forschung an Ichthyosen gewidmet. Das beinhaltet auch, dass er mit seinem Team daran arbeitet mehr als 800 betroffene Familien in das "Nationale Register für Ichthyosen und verwandte Hauterkrankungen" (das sich in Yale befindet) aufzunehmen. In der Fachzeitschrift The American Journal of Human Genetics ist eben eine Untersuchung erschienen, in der Choate und sein Team 750 der in diesem Register gelisteten betroffenen Personen getestet haben, um herauszufinden ob diese Träger einer der bereits bekannten zu Ichthyosen führenden Mutationen wären [2]. Insbesondere waren die Forscher aber daran interessiert Personen zu identifizieren, die keine der bekannten Mutationen aufwiesen. Derartige ungeklärte Fälle von Ichthyose könnten, ihrer Meinung nach, der Schlüssel zur Entdeckung weiterer Gene sein, die wichtige Rollen in gesunder und kranker Haut spielen. Die Testung ergab vier Patienten, die an einer rezessiven Form der Ichthyose litten - der sogenannten progressiven symmetrischen Erythrokeratodermie (PSEK) - und keine der bisher bekannten Mutationen aufwiesen. PSEK ist ein äußerst seltener Typ der Ichthyose, der Bereiche von roter, schuppenartig verdickter Haut zeigt, die symmetrisch über den Körper verteilt sind. Im Laufe der Zeit weiten sich diese betroffenen Stellen häufig aus und verschlimmern sich. Abbildung 2. Abbildung 2. Personen mit PSEK haben eine stark verdickte äußere Hautschichte - stratum corneum -, in welcher in den Zellen die Zellkerne (lila) noch zurückgeblieben sind. (Quelle: Keith Choate, Yale University School of Medicine, New Haven, CT) Auf der Suche nach dem zugrunde liegenden genetischen Defekt für diese Krankheit sequenzierten die Forscher von jedem der vier Patienten den für Proteine kodierenden Teil des Genoms, das sogenannte Exom, das bloß 1,5 % des gesamten Genoms ausmacht. Diese Exom-Sequenzen wiesen in allen Patienten Mutationen in einem Gen auf, das für das Enzym KDSR (3-Ketodihydrosphingosine Reductase) kodiert. Das erschien bemerkenswert: das Enzym KDSR spielt ja eine entscheidende Rolle in dem aus vielen Schritten bestehenden Prozess, mit dem die Haut Ceramide aufbaut. Interessanterweise schienen zwei der Träger von KDSR-Mutanten nur jeweils eine defekte Kopie des Gens zu besitzen. Das war verblüffend - die Forscher wussten ja , dass der Ichthyose-Typ rezessiv war, das heißt, dass zwei defekte Kopien des Gens notwendig waren, um die Krankheit hervorzurufen. Choates Team vermutete daher, dass die anscheinend gute zweite Kopie des KDSR-Gens eine Mutation haben müsste, die sich außerhalb der analysierten Exom-Sequenzen befand.

Die gestörte Ceramid-Synthese kann durch Isotretinoin wieder angekurbelt werden

Um dazu mehr zu erfahren, sequenzierten die Forscher das vollständige Genom von einer der beiden Personen. Tatsächlich zeigten die Sequenzdaten des ganzen Genoms, dass die anscheinend gute Kopie des KDSR-Gens im Genom in die falsche Richtung orientiert, vorlag und daher seine Funktion verloren hatte. Dass das KDSR-Gen tatsächlich nicht funktionierte und es damit zu Störungen in der Synthese des Haut-schützenden Ceramids kam, bestätigten weitere Untersuchungen an der Haut des Patienten. Der neue genetische Beweis vermag zu erklären, warum Isotretinoin so erstaunlich gut in der Behandlung dieser Form von Ichthyose gewirkt hat. Ceramid kann auf drei unterschiedlichen Wegen hergestellt werden:

  • Unsere Haut produziert Ceramide, indem sie die Lipide "von Null an" aus kleineren Bausteinen zusammensetzt. Es ist dies der Weg, der in Patienten mit PSEK unterbrochen ist.
  • Hautzellen können Ceramide aber auch produzieren, indem sie Zellmembranen abbauen, um Komponenten freizusetzen , welche über einen von zwei verwandten biochemischen Wegen in die Lipide umgewandelt werden.
  • Die neuen Befunde lassen den Schluss zu, dass Isotretinoin es den Zellen möglich macht ihren genetischen Defekt zu kompensieren, indem es sie stimuliert Ceramide über die alternativen Wege bereit zu stellen. Für Menschen mit Ichthyosen sind die Ergebnisse ermutigende Zeichen des Fortschritts. Für uns Andere streichen sie jedenfalls heraus, wie wichtig Ceramid - die aktive Komponente in vielen Feuchtigkeitscremen - zur Erhaltung einer gesunden Haut ist.
    [1] What is ichthyosis? Foundation for Ichthyosis & Related Skin Types. http://www.firstskinfoundation.org/what-is-ichthyosis [2] Mutations in KDSR cause recessive progressive symmetric erythrokeratoderma. Boyden LM, Vincent NG, Zhou J, Hu R, Craiglow BG, Bayliss SJ, Rosman IS, Lucky AW, Diaz LA, Goldsmith LA, Paller AS, Lifton RP, Baserga SJ, Choate KA. Am J Hum Genet. 2017 Jun 1;100(6):978-984. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28575652
    *Dieser Artikel von NIH Director Francis Collins, M.D., Ph.D. erschien unter dem Titel:"Skin Health: New Insights from a Rare Disease"" zuerst (am 6. Juni 2017) im NIH Director’s Blog: https://directorsblog.nih.gov/2017/06/06/skin-health-new-insights-from-a.. .Reprinted (and translated by ScienceBlog) with permission from the National Institutes of Health (NIH).

    Weiterführende Links

    Ichthyosis Overview (National Institute of Arthritis and Musculoskeletal and Skin Diseases/NIH).

    Leben mit dem Haut-Gendefekt. Video 50 min. BBC worldwide.

    Zu Struktur und Funktion der Haut im ScienceBlog

    Inge Schuster , 17.07.2015: Unsere Haut – mehr als eine Hülle. Ein Überblick.

Redaktion Thu, 15.06.2017 - 14:49