Klimamodelle: wie werden diese validiert?

Klimamodelle: wie werden diese validiert?

Do, 01.11.2018 - 10:30 — Carbon Brief

Carbon BriefIcon GeowissenschaftenSind Klimamodelle in der Lage zuverlässige Prognosen abzugeben? Zur Validierung der Modelle wird geprüft, wie realistisch diese das in der Vergangenheit beobachtete Klima wiedergeben können (Hindcasts). Dies gelingt für die mittlere globale Klimaentwicklung (nicht nur) der letzten 150 Jahre recht gut. Der Artikel ist Teil 6 einer umfassenden, leicht verständlichen Serie "Q&A: How do climate models work?", die von der britischen Plattform Carbon Brief stammt (Teile 1 -5 [1, 2, 3, 4, 5]).*

Wissenschaftler validieren ihre Modelle, indem sie deren Prognosen mit Datensätzen aus realen Beobachtungen vergleichen. Beispielsweise wäre dies ein Vergleich von Modellprojektionen mit den tatsächlichen globalen Oberflächentemperaturen im vergangenen Jahrhundert.

Hindcasts - Prognosen in die Vergangenheit

Klimamodelle können an Hand historischer Änderungen des Erdklimas getestet werden. Derartige Vergleiche mit der Vergangenheit werden wie in [4] erwähnt "Hindcasts" genannt.

Dabei "erzählen" die Wissenschaftler ihren Modellen nicht, wie sich das Klima in der Vergangenheit verändert hat - sie speisen beispielsweise keine historischen Temperaturmesswerte ein. Stattdessen geben sie Informationen über vergangene Klimatreiber ein und die Modelle erzeugen daraus eine(n) "Rückschau" (Hindcast) auf historische Situationen - ein gangbarer Weg, um Modelle zu validieren. Abbildung 1 (Carbon Brief Bild von der Redn. eingefügt).

Abbildung 1. Auf­zeich­nun­gen und Hind­cast-Mo­del­lie­run­gen der globalen Tem­pe­ra­tur­än­de­run­gen ( in ° C; Landoberflächen und Ozeane zu­sam­men­ge­nom­men) seit 1970. Die großen Vul­kan­aus­brü­che von El Chichon (1982) und Pinatubo (1991) haben zu einem raschen Absinken der globalen Temperatur geführt, dies wird in den Simulierungen präzise wiedergegeben. Bunte Linien: jährliche Aufzeichnungen von 5 großen Institutionen (NASA, NOAA, HadCRUT, Cowtan and Way und Berkeley Earth). Schwarze Linie: Mittelung über 109 Simulationen an 38 Modellen, graue Flächen: Bereich der Modelldaten (95 % Confidence). Bild: Carbon Brief.

Hindcasts wurden für verschiedene Klimafaktoren wie Temperatur (an der Erdoberfläche, in Ozeanen und in der Atmosphäre), Regen und Schnee, Hurrikanbildung, Ausdehnung von Meereis und viele andere Klimavariablen erstellt, um aufzuzeigen, dass Klimamodelle in der Lage sind, das Erdklima präzise zu simulieren.

Es gibt Hindcasts für den historischen Bereich der Temperaturaufzeichnungen (von 1850 bis jetzt), für die letzten 2000 Jahre, wobei verschiedene Klimaproxies (indirekte Anzeiger des Klimas in Eisbohrkernen, Baumringen, Ozeansedimenten, etc; Anm. Redn.)zur Anwendung kamen und sogar für die letzten 20.000 Jahre.

Abbildung 2 (Carbon Brief Bild von der Redn. eingefügt) zeigt, dass die Simulationen sehr gut die Aufzeichnungen seit 1861 widerspiegeln und erstellt auf dieser Basis eine Prognose bis 2100.

Abbildung 2. Hindcast-Mo­del­lie­run­gen der globalen Tem­pe­ra­tur­än­de­run­gen ( in ° C; Landoberflächen und Ozeane zu­sam­men­ge­nom­men) vom Beginn der historischen Aufzeichnungen im Jahr 1861 bis 2017 und Forecasts (Prognosen) bis 2100. Bunte Linien: jährliche Aufzeichnungen von 5 großen Institutionen (NASA, NOAA, HadCRUT, Cowtan and Way und Berkeley Earth). Schwarze Linie: Mittelung über alle Modelle, graue Flächen: Bereich der Modelldaten (95 % Confidence). Bild: https://www.carbonbrief.org/factcheck-climate-models-have-not-exaggerated-global-warming.

Vulkanausbrüche

Spezifische Ereignisse mit massiven Auswirkungen auf das Klima, wie es etwa Vulkanausbrüche sind, können auch dazu dienen, die Leistungsfähigkeit eines Modells zu testen. Auf Vulkanausbrüche reagiert das Klima relativ schnell - um erkennen zu können ob Modelle genau erfassen, was nach großen Eruptionen passiert, brauchen Forscher also nur wenige Jahre zu warten.

Untersuchungen belegen, dass Klimamodelle die Änderungen von Temperatur und atmosphärischem Wasserdampf nach großen Vulkanausbrüchen präzise abbilden (Abbildung 1).

Klimatologie

Klimamodelldaten werden auch mit der durchschnittlichen (d.i. mit der über einen Zeitabschnitt gemittelten) Klimasituation verglichen. Beispielsweise prüfen die Forscher, ob die Durchschnittstemperaturen der Erde im Winter und Sommer in Modellen und Realität ähnlich ausfallen. Sie vergleichen auch die Ausdehnung des Meereises in Simulierungen versus Beobachtungen - Modelle, welche die aktuelle Meereisbedeckung besser darstellen, werden dann gewählt. um zukünftige Veränderungen zu prognostizieren.

Experimente, in denen viele verschiedene Modelle mit denselben Treibhausgaskonzentrationen und anderen "Antrieben" laufen, wie dies in den in den Modellvergleichsprojekten (MIPs, siehe [draft 5]) der Fall ist, bieten eine Möglichkeit, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Modellen zu untersuchen.

Eine Mittelung über alle Modelle kann in vielen Punkten des Klimasystems zu genaueren Aussagen führen als dies bei den meisten Einzelmodellen der Fall ist. Werden mehrere unabhängige Modelle kombiniert, so zeigen Vorhersagen bessere Qualität, höhere Zuverlässigkeit und Konsistenz.

Um zu überprüfen, ob Modelle vertrauenswürdig sind, können projizierte zukünftige Änderungen mit den tatsächlich eintretenden Ereignissen verglichen werden. Dies kann jedoch bei langfristigen Projektionen ein schwieriges Unterfangen sein, da es lange dauert, bevor man beurteilen kann, wie gut die aktuellen Modelle funktionieren.

Carbon Brief hat die seit den 1970er Jahren erstellten Klimamodelle analysiert: diese haben generell seh gut funktioniert, um die Hindcasts aber auch die Forecasts für den nächsten Zeitabschnitt zu prognostizieren.

Wie werden Klimamodelle "parametrisiert"?

Wie in Teil 1 der Serie erwähnt [1], sind Klimamodelle enorm groß, den Wissenschaftlern steht aber kein unendliches Angebot an Rechenleistung zur Verfügung. Um die Simulationen besser bewältigen zu können, unterteilen Klimamodelle die Erdoberfläche durch ein 3D-Gitternetz (mit jeweils mehr oder weniger großen Maschenweiten; Anm. Redn.), wobei jeder Gitterzelle über ihr gesamtes Volumen konstante klimarelevante Eigenschaften und Prozesse zugeordnet werden. Ein Modell berechnet nun über ein Zeitintervall hin das durchschnittliche Klima jeder Gitterzelle.

Allerdings gibt es im Klimasystem und auf der Erdoberfläche viele Prozesse, die auf Skalen stattfinden, die kleiner sind als die Gitterzelle. Um dafür ein Beispiel anzuführen: innerhalb einer Gitterzelle werden die Höhen der Landoberfläche gemittelt - dies bedeutet, dass dabei alle landschaftlichen Merkmale wie Berge und Täler vernachlässigt werden. Ähnlich werden auch die Vorgänge in der Atmosphäre gemittelt: Wolkenbildung und -Auflösung können aber in Größenskalen erfolgen, die viel kleiner als eine Gitterzelle sind.

Um das Problem solcher kleinskaliger, klimarelevanter Variablen zu lösen, werden diese"parametrisiert", dh. ihre Werte werden im Computercode (siehe dazu [1]) festgelegt und nicht vom Modell selbst berechnet.

Abbildung 3 zeigt einige der Prozesse, die typischerweise in Modellen parametrisiert sind.

Abbildung 3. Eine Liste der 20 Klimaprozesse und -Eigenschaften, die normalerweise in globalen Klimamodellen parametrisiert werden müssen. (Bild: mit freundlicher Genehmigung von MetEd, The COMET Program, UCAR.)

Parametrisierungen dienen auch zur Vereinfachung, wo immer ein Klimaprozess nicht hinreichend verstanden wird/noch nicht mathematisch beschrieben werden kann.

Problem: Parametrisierungen sind eine der Hauptquellen von Unsicherheiten in Klimamodellen.

Kalibrierung des Modells

In vielen Fällen ist es nicht möglich, parametrisierte Variable auf einen einzelnen Wert einzugrenzen, daher muss das Modell einen Schätzwert einsetzen. Die Wissenschaftler führen Tests an ihrem Modell durch, um einen solchen Wert - oder einen Bereich von Werten - zu finden, der dem Modell die bestmögliche Darstellung des realen Klimas ermöglicht.

Dieser komplexe Vorgang ist unter unterschiedlichen Bezeichnungen - Kalibrierung ,Tuning oder Justierung des Modelles - bekannt. Obwohl es ein notwendiger Teil der Klimamodellierung ist, ist es kein Prozess, der spezifisch dafür ist. So wurde beispielsweise 1922 in einem Artikel der Royal Society "Über die mathematischen Grundlagen der theoretische Statistik" die "Parameterschätzung" als einer der drei Schritte im Modellieren festgestellt.

Dr. James Screen, Assistenzprofessor für Klimaforschung an der Universität von Exeter, erklärt Carbon Brief, wie Wissenschaftler ihr Modell hinsichtlich der Albedo (Reflektivität; ein Maß dafür, wie viel Sonnenenergie von einer Oberfläche reflektiert wird) von Meereis kalibrieren könnten:

"In vielen Meereismodellen ist die Albedo des Meereises ein Parameter, der auf einen bestimmten Wert eingestellt ist. Den "korrekten" Wert der Eisalbedo kennen wir nicht und mit Beobachtungen der Albedo ist ein gewisser Unsicherheitsbereich verbunden. Während sie nun ihre Modelle entwickeln, können die Forscher mit leicht unterschiedlichen - aber plausiblen - Parameterwerten experimentieren, mit dem Ziel einige grundlegende Eigenschaften des Meereises so gut wie möglich an unsere aus Beobachtungen stammenden, besten Schätzungen anzupassen. Beispielsweise möchte man vielleicht sicherstellen, dass der saisonale Zyklus der Meereisausdehnung passt oder ungefähr die richtige Eismenge im Mittel vorhanden ist. Das ist Kalibrierung. "

Wären alle Parameter zu 100% gesichert, so wäre eine derartige Kalibrierung nicht erforderlich, meint Screen. Das Wissen der Wissenschaftler über das Klima ist aber leider unvollständig, weil die aus Beobachtungen kommende Evidenz Lücken aufweist.

Da Parametrisierungen in den meisten globalen Modellen Usus ist, führen praktisch alle Modellierungszentren eine Kalibrierung der Modelle durch. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2014 werden in den meisten Fällen Modelle so kalibriert, dass sie das langfristige durchschnittliche Klima richtig wiedergeben - einschließlich einiger Faktoren wie absolute Temperaturen, Meereiskonzentrationen, Oberflächenalbedo und Meereisausdehnung .

Der am häufigsten kalibrierte Faktor (in 70% der Fälle) ist dabei die Strahlungsbilanz am oberen Rand der Atmosphäre. Hier werden die Parametrisierungen insbesondere von Wolken (deren Mikrophysik, Konvektion und Bedeckungsgrad) aber auch von Schnee, Meereisalbedo und Vegetation kalibriert.

Kalibrieren bedeutet aber nicht einfach ein "Anpassen" historischer Aufzeichnungen. Führt eine vernünftige Auswahl von Parametern zu Resultaten, die sich von der beobachteten Klimatologie dramatisch unterscheiden, können Modellierer entscheiden, eine andere Auswahl zu treffen. Erfolgt ein Update eines Modells und erbringt dieses nun eine massive Abweichung von den Beobachtungen, so suchen die Modellierer nach Fehlern oder anderen Faktoren , die den Unterschied erklären können.

Wie der NASA-Direktor des Goddard-Instituts für Weltraumforschung, Dr. Gavin Schmidt, Carbon Brief erklärt:

"Globale Durchschnittstrends werden auf Vernünftigkeit kontrolliert, aber (im Allgemeinen) nicht exakt darauf justiert. Dazu gibt es in der wissenschaftlichen Gemeinschaft viel Diskussion, aber allen ist klar, dass diese Forschung transparenter gemacht werden muss."


*Der Artikel ist der Homepage von Carbon Brief: "Q&A: How do climate models work?" entnommen (https://www.carbonbrief.org/qa-how-do-climate-models-work). Unter den Titeln" How do scientists validate climate models? How do they check them? und " How are climate models “parameterised” and tuned? ist es die Fortsetzung einer, von mehreren Autoren stammenden Serie, die am 15. Jänner 2018 online gestellt wurde. Die unter einer cc-by-nc-nd 4.0 Lizenz stehenden Artikel wurden im Einverständnis mit Carbon Brief möglichst wortgetreu von der Redaktion aus dem Englischen übersetzt und von Carbon Brief freigegeben.

Carbon Brief - https://www.carbonbrief.org/ - ist eine britische Website, welche die neuesten Entwicklungen in den Bereichen Klimawissenschaft, Klimapolitik und Energiepolitik abdeckt. Die Seite bemüht sich um klare Daten-basierte Artikel und Illustrationen, um mitzuhelfen das Verstehen des Klimawandels von Seiten der Wissenschaft und auch der Politik zu verbessern . Im Jahr 2017 wurde Carbon Brief bei den renommierten Online Media Awards als"Best Specialist Site for Journalism" ausgezeichnet.

[1] Teil 1 (19.04.2018): Was Sie schon immer über Klimamodelle wissen wollten – eine Einführung.

[2] Teil 2 (31.05.2018): Klimamodelle: von einfachen zu hoch komplexen Modellen.

[3] Teil 3 (21.06.2018): Klimamodelle: Rohstoff und Produkt — Was in Modelle einfließt und was sie errechnen.

[4] Teil 4 (23.8.2018): Welche Fragen stellen Wissenschaftler an Klimamodelle , welche Experimente führen sie durch? [5]

Teil 5 (20.09.2018).: Wer betreibt Klimamodellierung und wie vergleichbar sind die Ergebnisse?


Weiterführende Links

Artikel im ScienceBlog

Wir haben einen eigenen Schwerpunkt Klima und Klimawandel gewidmet, der aktuell 29 Artikel enthält.

inge Thu, 01.11.2018 - 10:30